Autor | Thema | Art Agens
Germany 163 Beiträge | Erstellt am: 30.07.2002 : 08:01:32
| ...ja. Hab auch mal drüber nachgedacht, der Begriff Heimat ohne Zusatz sagt mir persönlich nicht viel. Seltsam, wie dieses (positiv besetzte?) Wort im Mund schmeckt: Heimat. Irgendwie stellen sich mir die Nackenhaare und meine Blicke suchen schon den Ausgang. Vielleicht hatten wir schon mal zuviel davon. Aber was das mit Globalisierung zu tun hat... nee.
Im Text steht: "In der Verbindung neuer, digitaler Technologien und der klassischen Form des Tafelbildes spiegelt sich auch die Grenzüberschreitung von Nähe zu Ferne, von Aufbruch zu Ankunft, von neuer zu alter Heimat. Der vorliegende Wettbewerb möchte dazu beitragen, dass sich durch die ästhetischen Grenzüberschreitungen der digitalen Kunst, Fremde und Heimat im Blick des Betrachters einander annähern."
Sylvus, ich würde weg von den Vertriebenengedanken. Die stören eigentlich nur, da wurde irgendwas... hineingewurschtet, das wurde schon zu oft wiederholt, das Persönliche an "Heimat" irgendwie süßlich-braun versoßt. Konzentrier dich auf den Grundgedanken, wenn du magst, und schau mal ob man aus dem Digitalen was machen kann. Würd ich sagen. Ist aber dein Ding.
sehdich *A* | | | Sylvus
Germany 266 Beiträge | Erstellt am: 30.07.2002 : 09:27:40
| hEIMAT:::
so wie oben geschrieben kommt mir das inzwischen vor - ein grauenhaft unscharfer begriff mit verwaschenem Inhalt. Das, was im Leben um mich ist, entsprechend meinem Lebensalter und der damit verbundenen Aufgabe, Neo? Das ist doch normal, Sitten und Bräuche, Umfeld? Knanst sagen, dieses Gefühl des Normalen und Alles-in-Ordnung sei ja gerade die Heimat, aber... ne, nicht ganz für mich, das ist bisserl dünn. Hier sind's die Maibäume, die zur Heimat gehören, und bei euch vielleicht die Dampfnudeln, woanders der Döner Kebap. Hier die Zwiebeltürume, in Norddeutschland die Backsteingotik. Geliebt, gelebt wird überall. Whatever.
Art, die Vertriebenen, stimmt. Das führt mich höchstens zu dem Gedanken, daß meine Heimat nun eben nicht deine Heimat ist, z.B. läge meine eben weit weg und wäre gar nicht mehr da oder nicht mehr zu betreten. Da baut man Mythen, um sich z.B. abzugrenzen, und das führt dazu, daß das irgendwie so als... Aufgabe auf den Schultern der Nachkommenden lastet. Als ob es "da drüben" noch etwas gäbe, wie im "Heiligen Land", vor dem man seinen Lebenskotau leisten müßte... als familiäres Mantra. Der Pflichtbesuch. Vertriebene... ich bin persönlich ein Mensch der zweiten nachfolgenden Generation. Die Frage, fremd oder nicht, also wie ich mich *fühle* - hier wie dort - steht eher im Vordergund, und da ist sie auch hilfreich, weil ich dann erst merke, daß ich es nicht am Ort festmachen kann. Kann ich persönlich nämlich nicht...
Wie ich mich fühle - ja. Und da kommt dein Hinweis, Sanne - mit der Furcht des Wegnehmens auf der einen und des Nicht-leben-Könnens auf der anderen Seite. Ein gegenseitiges Verstehensthema - das miteinander-auskommen. Und das hat dann auch mit "Home is where my heart is" zu tun. Am Ende komme ich doch dazu, Tom rechtzugeben, des einen Heimat sei des anderen Fremde? So in die Richtung
Ohhhh! Glaube langsam, das ist alles nicht darstellbar, nicht in einem Bild. In einem Leben vielleicht, in einer persönlichen Biografie. Sanne, den Zeitpunkt kann ich nicht festmachen - Ankunft, Dortsein, Integration oder vielspäter? Das trifft es alles nicht, weil es jeder ganz subjektiv erlebt. Auch Neos Lebensalter spielt eine Rolle. Ich kann dieses Thema mit dem Denken einfach nicht fassen. Da muß man schon drinstecken und fühlen, wie das ist mit der fremden Heimat. Brr, schon wieder dieses Kaugummiwort. Kuckucksuhren, Schnadahupferltänze... hebet euch hinweg!!! *ggg*
| | | Neo
Deutschland 971 Beiträge | Erstellt am: 30.07.2002 : 09:40:36
| du alter miesepeter ;-) denkst dir alles weg und sagst, es wär nix da ;-)) man kann auch stolz auf seine heimat sein und etwas dafür tun, daß sie in ordnung bleibt oder kommt. sich irgendwo festmachen, engagieren
Gruß *N* | | | Sylvus
Germany 266 Beiträge | Erstellt am: 30.07.2002 : 10:49:13
| Servus... vielleicht mach ich's mir zu leicht, ja? Zu schwer? Laß das jetzt mal stehen.
Da waren jetzt zweimal Hinweise auf das Digitale, Internetkultur? und da sollen mer ja auch hin, oder?
Der Ausdruck Tafelbild ist mir aufgefallen. Er wird im Unterricht verwendet und bedeutet so etwas wie anschauliche Darstellung, Erklärungsbild. Ein eher versachlichtes Beispiel habe ich mal --> da gefunden *g* aber das nur so
grundsätzlich denke ich aber schon daß Wert auf das inhaltliche gelegt wird, da kann ich nicht einfach die Folkloretänze nehmen, Neo
| | | Sylvus
Germany 266 Beiträge | Erstellt am: 30.07.2002 : 21:43:03
| He! Als Kind dachte ich an das Jahr 2000 und daß ich dann weit über 30 Jahre alt (!) sein würde. Es erschien mir un-glaub-lich lang - und ich wäre dann schon Methusalem. Ach, bestimmt erlebe ich das gar nicht.
Nun ist 2000 vorbei, ich lebe noch und denke trotzdem mit einem gewissen Schmunzeln daran, daß ich mir heute nicht vorstellen kann, 70 zu sein. Das wäre... moment... ach, bestimmt erlebe ich das gar nicht. *g*
und da hat sich doch manches seit damals nicht geändert *gg* tja. und noch so ein paar dinge, die ich schon als kleiner Bub mit großen Augen wollte - nach Ägypten fahren und die toten mumien besuchen zum Beispiel. und eine große modelleisenbahn haben. eine GROSSE!
...oh, und das wird sich nie ändern, egal wo ich auch bin und wo ich meine Zelte aufstelle... und wenn ich so über alles hindenke, ist das auch etwas, was ich irgendwie überall im Augenwinkel behalte. Gewachsene Stücke meiner Identität sind das, akzeptiert und immer schon da. So wie Oma und Opa. Die sind alle Teil von mir, so genau kann ich das nicht unterscheiden, da muß ich noch zu klein gewesen sein ;-)
Als kleiner Mensch nimmst du so manche Dinge wichtig, und keiner weiß genau warum. Es bedeutet dir etwas Eigenes, spricht nur zu dir alleine und zu keinem anderen. Oft ist es ein kleines Spielzeug, das du hinter dir herziehst. Vielleicht ein Schiff, dessen Kapitän du werden möchtest? Da kann ein ganzes Leben drüber gehen, aber wenn du es wirklich willst - wirst du eines Tages Kapitän sein, vielleicht auf einer Yacht? Nicht wirklich ausgeschlossen...
Das hat also mit Lebenszeiten zu tun, und mit deinen ganz persönlichen Erwartungen. Mit nach vorne schauen, aber auch mit dem Blick nach hinten über die Schulter. Etwas von dir muß in beidem vorhanden, enthalten sein. Und zwar du selbst - ein Bild, das du dir von dir machst. Und daß du als älterer Mensch nicht mehr so viel nach vorne sehen kannst, hindert dich vielleicht eher daran, eine neue Umgebung (Heimat?) zu akzeptieren - warum auch? Du hattest ja schon so viel und siehst eher zurück...
Was man einst mitbekam und mit sich nahm, ist JETZT die Basis für das, was kommt. Das ist der Punkt. Was du hinter dir ziehst und mitnimmst, wird dich eines Tages tragen, weil es mit dir und nur mit dir zu tun hat. Dir bleibt und dich darstellt. Sowas wie... deine Idee.
Und die Heimat... das ist ein anderes Wort dafür, die ist das die du mit dir trägst, die Blaupause deines Lebens, egal ob hier oder an einem fremden Ort, ob für kurz oder für lang. Was die Verwirklichung betrifft, muß das nur in die richtige Richtung gehen, das Äußere gibt sich - du wirst dafür sorgen, wenn es irgend geht.
Du trägst diese Art seelische Heimat, deine ehrlichen Wünsche und Träume wie eine Aura um die Schultern, und sie verläßt dich nie - und nur du weißt genau, wie sie für dich aussieht...
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Die Tage ein Buch gelesen, was Indianer meinen, wenn sie "Ihre Medizin" sagen. Oder besser eine Umschreibung davon, weil sie behaupten, Weiße könnten das nicht GANZ verstehen
hm-m. so etwa würde ich das ausdrücken, was ich da empfinde, bei den noch vergleichsweise dürren Worten da oben... so etwas wie... Hoffnung auf Durchkommen? Positive Erwartung? Jedenfalls das, was man braucht, um sich eine neue Welt auch im Äußeren zu schaffen. Egal wie fremd sie ist. Das bleibt sie nicht lang, wenn ich sie nach meinen inneren Vorstellungen gestalte und mir damit eine Heimat... schaffe. Nicht?
| | | Norel
Faroe Islands 32 Beiträge | Erstellt am: 30.07.2002 : 22:09:19
| "Ich weiß, ich weiß: Heimat, das ist der Ort, wo sich der Blick von selbst nässt, wo das Gemüt zu brüten beginnt, wo Sprache durch ungenaues Gefühl ersetzt werden darf...Ich gebe zu, dass dieses Wort in Verruf gekommen ist, dass es mißbraucht wurde, so schwerwiegend mißbraucht, daß man es heute kaum ohne Risiko aussprechen kann. Und ich sehe auch ein, daß es in einer Landschaft aus Zement nichts gilt, in den Beton-Silos, in den kalten Wohnhöhlen aus Fertigteilen, das alles zugetsanden. Wenn es schon so ist: was spricht denn gegen den Versuch, dieses Wort von seinen Belastungen zu befreien? Ihm seine Unbescholtenheit zurückzugeben?"
Aus Siegfried Lenz, Heimatmuseum, München 1981, S. 120.
Heimat entzieht sich ganz sicher jeder eindeutigen Definition!!!
Als Volkskundler würde ich Heimat vor allem als Kombination von "sozialem" und "mikrokulturellem" Raum sehen. Der "Raum" wird individuell empfunden und kann sich als Stadtteil, als Dialektregion, als Kindheitsort usw. in die Wahrnehmung der eigenen Identität einprägen. Heimat könnte, wie ich finde, so auch als "Aneignungsprozess" einer als vertraut empfundenen Welt verstanden werden. Menschen fühlen sich in der Regel einem bestimmten Lebensraum zugehörig, den wir Heimat nennen.
Sicher wird der Begriff durch unterschiedliche kulturelle Merkmale, darunter auch räumlich-geographische Fixierungen, mitbestimmt.
Müsste ich mich der Frage nach dem Wesen der Heimat nähern, frage ich nach der - wie ich sie nennen würde - seelischen Territorialität. Ich meine damit eine innerlich empfundene Zugehörigkeit, ja eine Gebundenheit an einen selbst definierten Raum (im obigen umfassenden Sinn). Vielleicht, weil man da so etwas wie Sicherheit und Befriedigung empfindet. Heimat wird so aber auch zu einem kulturellen Erfahrungsraum und schafft Identität. Das kulturelle Inventar, das jeder ganz individuell, aber auch als Gruppenerfahrung mitnimmt aus seinem Lebenslauf stabilisiert sicher unsere alltägliche Lebenswelt, füllt sie vielleicht sogar mit etwas wie SINN. Ich glaube, das Selbstverständnis, so etwas wie Heimat zu spüren (und damit zu besitzen!), ist sicher am meisten beeinflußt von sozialen / emotionalen Beziehungen. Mir gefällt die Bedeutung des Heimatbegriffs für das Individuum am besten, weil es so vielfältig wie die Menschen ist.
Weil dem volkskundlichen Blick der Mensch mit seinen Alltagswahrnehmungen wichtig ist (anders als dem Soziologen, der Aussagen zur Qualität und Quantität der "Massenhaftigkeit" eines Phänomens im Blick hat), würde ich wie folgt schließen:
Gerade in einer Zeit, in der Heimat ideologisiert wurde und wird und damit ein immer wieder politisierter und affektanfälliger Begriff ist ("Volks- und Vaterlandliebe"), möchte ICH Heimat so objektiv es geht , immer von der Bewußtseinsebene der untersuchten Gruppe oder des Einzelnen, einer Familie, einer ethnischen Gruppe usw. definieren. Ich bin mir fast sicher, dass es sich dabei um einen - so seltsam es bei der vermuteten "Starrheit" des Heimatbegriffs anhört - höchst dynamischen Prozess in einer Lebenssituation handelt, in der sich der Mensch in weitgehend harmonisch angepasster Übereinstimmung mit seiner sozialen, kulturellen oder geographischen Umwelt befindet.
Wichtig scheint mir, dass es sich um eine aktive Aneignung der Umwelt im Sinne emotionaler Verwurzelung im Raum handelt.
Gelingt ihm das nicht, wird der Mensch wohl sehnsüchtig dort "Heimat suchen", wo ihm gar keine entstehen kann. Weil er sich dort eben fremder als in jeder fremdem Stadt fühlen würde.
norel | | | Norel
Faroe Islands 32 Beiträge | Erstellt am: 30.07.2002 : 23:06:26
| ah, noch was: die schweizer sagen: "wart' schnell..."
da steckt viel drinne, gelle? aber was? ach ja, das wichtigste: heh, wo bleibt dein werk für den wettbewerb, zur allgemeinen diskussion? will auch was sehen...
verlangt monsieur de
norel | | | Sylvus
Germany 266 Beiträge | Erstellt am: 31.07.2002 : 02:07:36
| wird wohl sowas werden ;-)
Fremde Heimat (Entwurf)
LG *s* | | | Thema | | | |